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Heimatbesuch Noir

Ein sommerlicher Nachtrag einer Winterreise

Auf dem Schlossberg schneite es. An diesem Nachmittag – später November am Ende des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert – konnte man sie zum Teil sehen. Angefangen hatte es mit dem schwarzen Uhrturm. Jenes verdichteten „Schattens“, den ein Künstler im Kulturhauptstadtjahr dem Grazer Wahrzeichen beistellte. Dann tauchen nach und nach überall in der Stadt schwarze Hunde auf. Oft geführt von schwarz gekleideten Menschen, immer mehr davon. Ein um und um  schwarz angemaltes und bedachtes Häuserkarree im Lendviertel. Die Grazer Ordnungswache mit ihren schwarzen Uniformen. Eine schwarze Bäckerei – einst hieß sie Purkarthofer, aber das ist lange her – in der Geidorfer Uni-Gegend.

Einige Tage zuvor, am ersten Tag nach meiner Ankunft aus Stockholm, ging ich über den Mehlplatz. Dieser war verstellt von unförmigen schwarzen Bauelementen, die offenbar als Standel im bevorstehenden Advent dienen sollten. Sie sahen aus, als hätte jemand vor daraus eine Riesenstatue von Darth Vader zusammenzufügen. Das erinnerte mich abermals an das Kulturhauptstadtjahr. Damals, oder so um die Zeit, war die Rede von einem im Stadtpark zu errichtenden Riesenskelett des großen Grazer Sohnes Arnold Schwarzenegger (eigentlich kommt er ja von hinter dem Plabutsch, aber wen kümmert das?) in seiner Terminator-Ausführung. Es entpuppte sich, soweit ich mich erinnern kann, als Künstlerscherz. Viele Grazer, ich eingeschlossen, hatten damals jedenfalls an ein echtes Projekt geglaubt.

Auf meinem Schlossbergspaziergang stach mir nun der mittlerweile fortgeschrittene Dachausbau des städtischen Kaufhaus-Platzhirsches ins Auge. In einer früheren Baustufe war auch dieser – eine Art  architektonisches Melanom in der Ziegeldächerlandschaft – schwarz  gewesen. Jetzt war er silbergrau und ragte etwas höher hervor. Es trug nun ähnliche Winkelformen wie bestimmte Kampfmaschinen der deutschen Luft- und Panzerwaffe im Zweiten Weltkrieg. „Bronzedach kommt“ informierte daneben ein Transparent; vermeintlich zum Trost des Betrachters über den in Zukunft zu erwartenden Anblick als vergoldeter Reisszahn im UNESCO-Welterbe Grazer Altstadt.

Optisches Gold  also. Schubumkehr der Erzbergsage, fiel es mir ein. Wie lautete noch einmal die Wünsche-Option des Manderls aus der Legende? „Gold für zehn Jahr', Silber für hundert Jahr' oder Eisen für immerdar“ . Damals dachten die Menschen offenbar noch langfristiger und wählten die dritte Option.

Mittlerweile ist das Eisen trotzdem aus. Der Erzberg eine traurige Alpenruine und rundherum gibt es zu wenig Arbeit. Der schwarze Uhrturmschatten steht in einem der vorstädtischen Einkaufszentren südlich von Graz herum, spärlich behübscht mit ein paar Blumerlornamenten. Apropos Einkaufszentrum fällt mir ein, dass ein solches ja auch eines der letzten Leuchtfeuer eines weitsichtigeren und  kulturbeseelten Graz – das Augartenkino – mehr oder weniger aufgefressen  hat. Mehr als 9.000 Unterschriften zum Trotz.

Das nächste große Grazer Zerstörungswerk hat schon begonnen. Die Mur soll südlich der Stadt in Staustufen zerlegt, der Fluss bis in die Innenstadt aufgestaut werden. Flussuferanrainerunternehmer träumen von ausgeweiteten Terrassen, auf denen sie Geld verdienen können. Mehr, mehr und noch mehr.

Wenn man auf der Autobahn bei Puntigam über die Mur fährt bietet sich nach Süden hin ein entsetzlicher Anblick. Ohne dass das Projekt zur Gänze genehmigt und fix wäre, wurde hier bereits die Au weggemacht. Gerodet und vernichtet. Nicht anders als im Amazonas, wo – Staustufenwitz der Zeit – eine Grazer Firma am geplanten drittgrößten Dammprojekt der Welt mitmachen will. Geld, Gold, mehr und mehr. Zehn Jahr statt immerdar.Wenn überhaupt.

Vom Schlossberg herabgestiegen wandere ich  durch der Altstadt. Der Schnee fällt nun in nassen Flocken auch auf den schwarzen Asfalt der Gassen und überzieht sie – zumindest für kurze Zeit – mit einem versöhnlich stimmenden und wohltuend schalldämpfenden Weiss. Aber nur wenige scheinen sich über die vom Himmel angebotene Stille zu freuen. Stattdessen lassen sich die Verkehrsteilnehmer mit und ohne Vehikel zum Schleudern und Stürzen hinreißen, weil sie sich viel zu schnell und den Augenblick missachtend bewegen. Als wäre Schneefall im November ein undenkbares, naturkatastrophenartiges Phänomen.

In der Raubergasse tummeln sich Glatzköpfe in schwarzen Trainingsjacken und Springerstiefeln. Sie scheinen anonym unbeschrifteten weißen Kleinbussen entstiegen zu sein. Ein Polizist hält die Schar junger Männer von der Ecke zum Joanneumring aus offenbar im Auge. Was tut sich hier – ein geplanter Neonazi-Aufmarsch etwa? Falsch: Die Erklärung findet sich an den provisorischen Parkverbotsschildern. „Ausgenommen Teilnehmer am Perchtenlauf“. Ach ja – „lebendiges Brauchtum“ stand in der Zeitung. Unter Plastik-Horrormasken versteckt dürfen auch dieses Jahr wieder die Krampusse des 21. Jahrhunderts mit Ruten und Ketten auf Kinder und Erwachsene eindreschen und junge Frauen ungestraft begrapschen. Auf Rechnung des Grazer Tourismusvereins womöglich. Wie der dazu kommen mag, diese Burschen als Brauchtumsstatisten zu rekrutieren und welche Verbindungen da mitgewirkt haben, hüllt sich in November Dunkel.

Traurig reise ich einige Tage später nach Stockholm zurück.Auf dem Weg zum Einkaufen geht vor mir eine junge Frau in weisser Pudelmütze. Sie spricht mit ihrem Handy und scheint von ihrer Umgebung nichts zu bemerken. In der anderen Hand hält sie Hundeleinen, an deren Enden gehängt drei identisch aussehende, schwarze Riesenschnauzer um sie herum trotten. Am späten Nachmittag des 11. Dezember sprengt sich einer im Stadtzentrum in die Luft.
...




[Artikel/Arthur Atis/14.07.2011]





    Artikel/Arthur Atis


    14.09.2012 barcamping 2.012

    14.07.2011 Heimatbesuch Noir

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